Wen man als Trainer gerne auf der Bank schmoren lässt

Was macht eigentlich Carsten Weiß?

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Versteckt, am Rand des Landesligaspiels Euerbach gegen Abtswind, entdecken wir ihn. Stilecht bei einer Tasse Kaffee, schwarz natürlich, mit einer priese Zucker, ein Päckchen „Tschiggis“ griffbereit in Reichweite, lümmelt ein regional bekannter Startrainer im Schatten des Euerbacher Vereinsheims. Lässig, gemütlich, tiefenentspannt, so wie man ihn, den Szenekenner und beruflichen Wandler zwischen unterschiedlich radikalen Fanschichten kennt. Da drängt sich die Frage auf: Was macht eigentlich der Mann mit den markanten Lachfalten, wenn´s mal heiß zugeht?

Wir, Boby Paunescu, Carsten Weiß und der Redakteur, lümmeln uns hier im Biergarten und nebenan geht die Luzie. Die Partie steht spitz auf Knopf. Euerbachs Keeper Irnes Husic schüttelt Glanzparaden nur so aus dem Ärmel. Eine sehenswerter als die vorangegangene. Abtswinds hochgelobte Offensivfraktion beißt sich am Euerbacher beton die Zahnstummel aus. Und unterm Laubendach entwickelt sich ein freundlicher Plausch, mittendrin und irgendwie doch nicht dabei.

Redaktion:
Hallo Carsten. Gleich mal vorneweg. Welches Team trainierst Du aktuell, nachdem Du in Euerbach aufgehört hast?

Carsten Weiß: Keines. Schöpferische Pause.

Redaktion:
Aber wieso das denn?

Carsten Weiß:
Es war jetzt einfach zu stressig geworden. Schon in der Bezirksliga ist der Aufwand groß. Und in der Landesliga wird’s nicht weniger. Dann bin ich ja immer noch beim FC05 Schweinfurt als szenekundiger Beamter unterwegs. Da hast du wochenends keinen Tag frei.

Redaktion: Wie kann man sich das so vorstellen, diese Tätigkeit als szenekundiger Beamte? Wie spannt dich das ein?

Carsten Weiß: Bei jedem Spiel des FC05 bist du vor Ort, ermittelst vorab vor allem bei Auswärtspartien, wie viele Fans mitfahren, berichtest über die Stimmungslage. Wir reisen am Spieltag an, fahren teilweise mit den Fanbussen mit. Wir ziehen aber Keinen raus. Unsere Tätigkeit ist rein beratend. Allein durch unsere Anwesenheit sind potentielle Schlingel aus der Anonymität raus. Wir sind quasi die Scheinwerfer, die alles beleuchten und so die Hemmschwelle hochsetzen.

Redaktion: Kann man sich das so vorstellen, a la, wenn es heiß wird, geht Carsten auf die Leut zu und sagt „schalt mal ´nen Gang niedriger“?

Carsten Weiß: So ungefähr funktioniert das im echten Leben. Das passiert auch so, aber zunächst beraten wir den Einsatzleiter, auf wen man achten sollte. Aber wenn diese Leute einen sehen, ist schon viel gewonnen.

Redaktion:
Und bei Heimspielen des FC05 gibst du den Einsatzleiter?

Carsten Weiß: Nur bei kleineren Veranstaltungen. Sobald ein größeres Kontingent notwendig wird, macht das unser Chef. Hierarchie gibt es überall. Dann stehe ich mit Rat und Tat beiseite, aber er entscheidet natürlich.

Mission Erfüllt! Auch ein Startrainer kann sich der obligatorischen Bierdusche kaum entziehen

Redaktion: Zurück zum Thema. So eine Pause vom Übungsleiter kann ja nicht unendlich gehen.

Carsten Weiß:
Nein, natürlich nicht.

Redaktion: Ah ja, du Schlitzohr hast schon was im Auge und verrätst uns nichts!

Carsten Weiß: Vorm Winter, bis zum Winter überhaupt nichts. An solchen Gerüchten ist wirklich nichts dran. Und dann … das muss passen!

Redaktion: Definiere bitte, „das muss für mich passen“, so in Schlagworten. Ist es der Dorfverein? Doch eher das städtische Umfeld?

Carsten Weiß: Nein, ob Dorf oder Stadt ist mir gleich. Es muss eine einigermaßen vernünftige Anlage vorhanden sein. Ich muss eine Perspektive erkennen können, was die Spieler und das Umfeld betrifft. Mir ist eine blutjunge Truppe lieber als die fertig entwickelte Mannschaft, die kaum noch Entwicklungspotential hat. Ein Haufen junge Wilde mit ein paar erfahrenen Haudegen. So wie ich es damals in Abtswind vorgefunden habe (Anm. d. Red.: vor allem in der Meistersaison 2010/11). Lauter Junge und ein, zwei arrivierte Alte. Das war eine rattenscharfe Zeit damals. Ich war liebend gerne Trainer in Abtswind. Das war eine super Zeit, die ich nie missen möchte. Da hat alles gestimmt: Von den Spielern her, dem Umfeld, der Anlage, den treuen Fans.

Redaktion:
Was Abtswind bislang deine schönste Trainerstation? Ich meine, du hast ja schon einige Stationen als Spieler und Trainer hinter dir. Kann man die vereine untereinander so einfach vergleichen?

Carsten Weiß: Ich war mal ein halbes Jahr Trainer in Rannungen. Da waren die Bedingungen ähnlich, wie in Abtswind. Die Mannschaft hat mitgezogen. Super Umfeld. Das Gesamtkonzept hat gestimmt.

„Wenn man von seinen Jungs Disziplin einfordert, muss man dies auch selber vorleben“

Redaktion: Hier in Euerbach. Dein Sohn Freddy hat es gleich auf Anhieb in die FuPa-Elf der Woche geschafft.

Carsten Weiß: Ach, darauf geb ich nix. Mir ist wichtiger, was ich sehe. Er hat sich gut entwickelt. Letztes Jahr war er bärenstark. Diese Saison habe ich noch kein Spiel gesehen. Da kann ich wenig zu sagen.

Redaktion: Letztes Jahr haben viele gesagt, ja, gut, Euerbach, die werden sowieso Meister. Mit 20 Punkten Vorsprung, wenn´s reicht. Im Schlussspurt war die Angelegenheit doch nicht so klar. Woran lag es?

Carsten Weiß: Erstens, es gab viele neue Spieler, die du integrieren musstest. Zweitens das System. Das dauert seine Zeit, bis das die Spieler verinnerlichen. Wie in Abtswind. Als ich übernahm, sind wir abgestiegen. Dann hat man eine gewisse Entwicklungsphase, die du als Trainer hast, dann setzt sich das allmählich durch. Euerbach in der letzten Saison konntest du auch nicht mit Abtswind vergleichen. Man hatte viele Spieler, die von höherklassigen Vereinen dazugestoßen sind. Beim TSV dagegen übernahm ich eine junge, aber hochtalentierte Truppe. Das ist schon ein ganz anderer Drive. Letztes Jahr musste ich erst mal Disziplin einfordern, Hierarchien bilden. Man muss einen strikten Stil vorgeben, vorleben und auch im Härtefall knallhart durchsetzen. Manchmal mit unpopulären Maßnahmen. Manchen muss man auch mal auf die Bank setzen und schmoren lassen. So wie ich es damals mit Kim (Anm. d. Red.: Shkelqim Kruezi) in Abtswind gemacht habe. Letztes Jahr fand sich plötzlich der Thomas Heinisch (Anm. d. Red.: Euerbachs baumlanger Mittelstürmer) auf der Bank wieder. Drei Wochen lang. Erzieherisch hat das gesessen.

Redaktion: Was hältst du von Oliver Kröner, deinem Nachfolger in Euerbach?

Carsten Weiß: Er war mein Co-Trainer. Ich habe das Training geleitet, mit weit weniger Mann bei den wöchentlichen Übungen, als es heute der Fall ist. Er muss seinen Weg gehen, ihn selbst finden, eigene Entscheidungen treffen und auch dahinterstehen, auf und neben dem Platz. Man schaut sich was ab, aber er muss seine Linie finden. Und ich habe keine bedenken, dass er das nicht schaffen könnte. Das Potential hat er.

Redaktion: Und jetzt gerade feierst du ein Jahr dein persönliche Sabbatical.

Carsten Weiß:
Ich genieße es. Du bist nicht mehr dauernd unter Strom, unter Druck, dich vom Dienst freimachen zu müssen, du musst das machen, dies und jenes. Du kannst frei entscheiden. Hab ich Bock auf Fußball, gehe ich hin.Hab ich gerade keine Lust, dann bleibe ich daheim, oder fahre mit meiner Frau Fahrrad. Was bislang eigentlich nie drin war.