Irre Aufholjagd beschert den Sieg in der Nachspielzeit

TSV Abtswind – TSV Unterpleichfeld 4:2 (0:1)

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Wie verrückt kann ein Spiel eigentlich ausgehen? Bis zur 89. Minute lag der TSV Abtswind gegen seinen Angstgegner TSV Unterpleichfeld mit 1:2 zurück. Am Ende stand es 4:2 für den Landesliga-Ersten, der neben Schweiß auch Blut gelassen hatte, um die Begegnung mit Charakterstärke, Willen und der nötigen Portion Glück zu drehen. Daniel Hämmerlein wurde zur Symbolfigur des hart erkämpften Erfolgs.

Der Held des Tages sah aus, als sei er in einen Farbeimer gefallen: die Nase rot, die Hände verschmiert, das Hemd voller Spritzer. Was sich nach einem kleinen Missgeschick eines passionierten Heimwerkers beim Renovieren anhört, war in Wahrheit der blutige Ausgang eines Fußballspiels. Daniel Hämmerlein, das Gesicht gezeichnet von der Härte des Gefechts, rannte aus dem Spielfeld, breitete die Arme aus und schrie sich die Freude aus dem geschundenen und abgekämpften Leib. Der Schmerz, den der triefende Riss auf seinem Nasenrücken ausgelöst haben musste, wurde offenbar betäubt durch das Adrenalin und die Glückshormone, die in dem Moment durch den Körper des 32-Jährigen schossen. Hämmerlein hatte gelitten, aber der Einsatz hatte sich gelohnt. „Für die drei Punkte nehme ich die Verletzung gerne in Kauf“, sagte Abtswinds Defensivmann, wohl wissend, dass die Wunde ihn nicht allzu lange an diese kuriose Partie am Ostermontag erinnern wird.

Was sonst in den 95 Minuten geschah, vor allem in der Schlussphase inklusive Nachspielzeit, wird sich nicht nur Daniel Hämmerlein ins Gedächtnis brennen. „Ich habe immer noch erhöhten Puls, wenn ich daran denke, was heute alles passiert ist“, sagte Abtswinds Trainer Petr Skarabela nach dem Abpfiff. Der Landesliga-Tabellenführer sah im Prinzip schon wie der sichere Verlierer aus, dessen Vorsprung an der Spitze von einst neun Zählern auf einen mickrigen Punkt zu schrumpfen drohte, weil Verfolger Vach sich nach der Winterpause keinen Ausrutscher leistete. „Wenn mich jemand kurz vor Schluss gefragt hätte, wer das Spiel gewinnt, wäre ich mir sicher gewesen, dass wir das sind“, musste Unterpleichfelds Trainer Thomas Redelberger zugeben, der später von der bittersten Niederlage seiner Laufbahn sprach. Dass Abtswind überhaupt der Ausgleich zum 2:2 gelang, war für die Skarabela-Elf schon ein Anlass zu Glücksgefühlen. Torjäger Pascal Kamolz zog krachend ab, nachdem Philipp Hummel hatte abtropfen lassen (89. Minute).

Mitten im Getümmel: Daniel Hämmerlein köpft das 3:2 für Abtswind.

Doch die Hausherren, denen die 1:4-Niederlage aus dem Hinspiel noch in den Köpfen herumschwirrte, wollten mehr, und das bekamen sie dank ihres unbändigen Willens auch. Die Hoffnung in jener zweiten Minute der Nachspielzeit ruhte auf Freistoßspezialist Adrian Dußler. Der 22-Jährige zwirbelte den Ball über die Mauer. Unterpleichfelds Torhüter Stefan Kraus wehrte im Flug ab, parierte genauso sensationell den Nachschuss Adrian Grafs, ehe Daniel Hämmerlein sich ins Getümmel des Fünfmeterraums warf und den Kopf hinhielt. Das Leder war drin – 3:2. Ein Ellbogen, eine Hand oder ein Kopf – das ließ sich nicht aufklären – trafen den Abtswinder Recken dabei mitten im Gesicht. Während es bei den einen kein Halten gab, stellte hinter dem Rücken des Schiedsrichters Unterpleichfelds André Schmitt dem jubelnden Mathias Brunsch in vollem Lauf das Bein. Ein erregtes Handgemenge folgte. Und nachdem der Torschütze notdürftig versorgt und mit einem Nasenverband aufs Spielfeld zurückgekommen war, legte Pascal Kamolz nach einem Torwartfehler zum 4:2-Endstand nach (90.+5).

Die Abtswinder konnten von Glück reden, dass sie nicht längst abgeschrieben waren: Im Laufe des zweiten Abschnitts hatten die Gäste, die schon in der Vorsaison erhebliche Probleme bereiteten, den dritten Treffer und damit die vermutete Entscheidung auf dem Schlappen: Gegen Leon Vollmuth, Ulrich Scheidel und Marcial Weisensel reagierte Abtswinds Schlussmann Florian Warschecha in seinem ersten Ligaspiel seit seiner Rückkehr im Winter bärenstark. Bei den Gegentreffern war der 29-Jährige jedoch ohne Abwehrchance gewesen: Ein langer Ball von Johannes Göbel überraschte alle, nur nicht Marcial Weisensel. Der Flügelstürmer der Gäste zog alleine davon und schloss nach nicht mal einer Viertelstunde zur Führung ab. Weisensel, mit vier Treffern überragender Akteur im Hinspiel, bestätigte Unterpleichfelds Rolle als Abtswinder Angstgegner mit beachtlicher Effizienz. Auch in der 57. Minute spielte der 27-Jährige den entscheidenden Part, als er für Christoph Hiesberger den Elfmeter zum 2:1 herausholte. Mathias Brunsch war von hinten auf ihn gefallen.

Im Abtswinder Jubel tritt Unterpleichfelds André Schmitt (links) nach Mathias Brunsch.

„Ich bin nach sieben, acht Minuten raus aus der Kabine, weil ich so unzufrieden war“, sagte Abtswinds Trainer Petr Skarabela und überließ die Mannschaft in der Halbzeitpause ihrer selbst. „Wir haben uns ohne den Coach unterhalten, was wir besser machen können“, verriet Daniel Hämmerlein. „Es ging nur über den Kampf.“ Denn im Zusammenspiel gab es mehr Fehler als noch zwei Tage zuvor beim 3:1-Erfolg in Karlburg, als besonders über außen zahlreiche Möglichkeiten entstanden. Diesmal musste sich Abtswind bis zur Pause mit wenig begnügen: Mehr als zwei Schüsse von Pascal Kamolz, die in die Fänge des Keepers gingen, waren nicht drin. Das besserte sich nach dem Seitenwechsel. Immer wieder war es Kamolz, der die Unterpleichfelder beschäftigte. Nino Wagner riss den Angreifer im Sechzehner um, doch der Schiedsrichter entschied auf Stürmerfoul (46.). Wenig später lief der Abtswinder frei aufs Tor – und verzog. Die Partie zwischen dem Ersten und dem Fünften besaß Klasse. Thomas Redelberger hatte sein Team so eingestellt, dass mit Weisensel und Vollmuth zwei laufstarke und ballsichere Spieler vorne Druck ausüben sollten.

Zusammen mit Ulrich Scheidel wäre den beiden das in der 52. Minute beinahe trefflich gelungen. Nach Vollmuths Hereingabe und Scheidels Schuss gab Weisensel dem Ball noch eine letzte Richtungsänderung, doch stand er dabei im Abseits. Das Tor zählte nicht. Die Gäste rieben sich bis zum Äußersten auf, manches Mal auch mit hartem Einsatz, etwa als Johannes Göbel an der Seitenlinie Michael Herrmann in die Füße trat, dass sich die Stollen deutlich auf dem Schienbein des Abtswinder Kapitäns abzeichneten. Das Foul zog eine von sieben Gelben Karten für Unterpleichfeld nach sich. Nikos Bude hatte Redelberger vorsorglich vom Rasen geholt. Der defensive Mittelfeldspieler stand kurz vor einem Platzverweis. Mit beiden Beinen ging Torsteher Stefan Kraus in den Zweikampf mit Pascal Kamolz, der dabei zu Fall kam. Adrian Dußler verwandelte den Strafstoß zum 1:1 (57.). Für Jonas Wirth wurde es schmerzhaft, weil Mitspieler Mathias Brunsch ihm aus Versehen zusetzte. Beim Kopfball stießen die beiden zusammen. Wirth trug eine stark blutende Platzwunde am Hinterkopf davon und musste nach siebzig Minuten zur Behandlung in ein Krankenhaus. Auch er hatte für den Erfolg mehr als nur Schweiß gelassen.

Michael Kämmerer

Pascal Kamolz lässt sich für seine Tore vom Abtswinder Anhang feiern.

Das Spiel in der Statistik

TSV Abtswind: Florian Warschecha – Michael Herrmann, Mathias Brunsch, Adrian Graf, Daniel Hämmerlein – Jonas Wirth (70. Jürgen Endres) – Peter Mrugalla (65. Philipp Hummel), Adrian Dußler, Nicolas Wirsching, Frank Hartlehnert (75. Daniel Endres) – Pascal Kamolz.
TSV Unterpleichfeld: Stefan Kraus – Simon Schönfeld, Nino Wagner, Dominik Oßwald, Julian Horn (81. Alessandro Hatzis) – Nikos Bude (50. Christoph Hiesberger) – Johannes Dorsch, Johannes Göbel, Marcial Weisensel (75. André Schmitt) – Leon Vollmuth, Ulrich Scheidel.
Schiedsrichter: Markus Hertlein (Dürrwangen); Assistenten: Peter Schweigert (Diespeck), Simon Dimmerling (Wilhermsdorf).
Zuschauer: 210.
Gelbe Karten: Daniel Endres, Mathias Brunsch (Abtswind); Nikos Bude, Leon Vollmuth, Johannes Göbel, Marcial Weisensel, Stefan Kraus, Christoph Hiesberger, Dominik Oßwald (Unterpleichfeld).
Tore: 0:1 Marcial Weisensel (13.), 1:1 Adrian Dußler (57., Foulelfmeter), 1:2 Christoph Hiesberger (65., Foulelfmeter), 2:2 Pascal Kamolz (89.), 3:2 Daniel Hämmerlein (90.+2), 4:2 Pascal Kamolz (90.+5).

Stimmen zum Spiel

Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Ich habe immer noch erhöhten Puls, nachdem was heute alles passiert ist. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball. Unterpleichfeld ist die unangenehmste Mannschaft, die ich kenne. Warum das so ist, darauf habe ich keine Antwort. Ein echter Albtraum. Ich spiele lieber viermal gegen Vach als zweimal gegen Unterpleichfeld. Der Gegner hat uns an unsere Grenzen gebracht. Wir finden nie ein Rezept, diese Mannschaft zu knacken. Das war ein glücklicher Sieg. In unserer Situation, in der Vach hinter uns nicht nachlässt, sind die drei Punkte extrem wichtig. Ich war mit uns in der ersten Halbzeit total unzufrieden. Ich muss Torwart Florian Warschecha ein Lob zollen, dass er uns im Spiel gehalten hat. Wir haben extremen Siegeswillen aufgebracht. Das ging ohne Ende an die Nerven. Die letzten fünf Minuten waren Powerfußball. Das sind Momente, die man nicht vergisst. So gefreut haben wir uns über einen Sieg lange nicht mehr.“

Thomas Redelberger (Trainer TSV Unterpleichfeld): „Wenn mich jemand nach 87 Minuten gefragt hätte, wer das Spiel gewinnt, wäre ich mir sicher gewesen, dass wir das heute sind. Was in den letzten drei, vier Minuten passiert ist, ist unerklärlich. So ist manchmal Fußball. So bitter habe ich noch nie verloren. Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht und ein paar Prozent mehr aus uns herausgeholt – wahrscheinlich wie viele, wenn sie gegen Abtswind spielen. Wir hatten einen klaren Plan, mit dem der Gegner vielleicht nicht gerechnet hatte: Wir wollten Abtswind vorne unter Druck setzen. Meine Jungs haben den Plan nahezu perfekt umgesetzt. Wir waren mutig. Mich ärgert sehr, dass wir beim Stand von 2:1 nicht das dritte Tor nachgelegt haben. Wir haben mit sehr viel Leidenschaft und Kopf gespielt, aber den Ertrag für das Engagement nicht eingefahren. Unser Ziel für die Rückrunde ist es, die Saison als beste Landesliga-Mannschaft des Landkreises Würzburg abzuschließen.“

Daniel Hämmerlein (Abtswinds Siegtorschütze zum 3:2): „Ich habe eine kleine Wunde auf der Nase. Ich weiß gar nicht, wer mich im Gerangel vor dem Tor erwischt hat und ob es ein Ellbogen, eine Hand oder ein Kopf war. Das kann passieren, kein Vorwurf. Für die drei Punkte nehme ich das gerne mit. Es war das erwartet schwere Spiel. In der ersten Halbzeit haben sich die Teams nahezu neutralisiert. Es gab auf beiden Seiten wenige Chancen. In der Pause haben wir uns ohne den Coach unterhalten, was wir besser machen können. Es ging nur über den Kampf. Neunzig Minuten hatte das Spiel ein brutal hohes Tempo. Die Unterpleichfelder sind technisch alle gut. Uns kam es vielleicht zugute, dass Nikos Bude zeitig rausmusste, weil er gelbrot-gefährdet war. Am Ende waren es Wille und Glück, dass wir gewonnen haben. Gerade weil im zweiten Spiel des Wochenendes irgendwann die Oberschenkel brennen und die Luft weg ist.“

Abtswinds Frank Hartlehnert spürt den Gegner im Nacken.

Alle Fotos: MyTobay Sports Photography / Tobias Mühlsteff

Bilder von der Partie gegen Unterpleichfeld gibt es in einer Fotoserie.

Die Partie in voller Länge bei sporttotal.tv.

Das Stenogramm zum Spiel im Liveticker.

Abtswinds Florian Warschecha im Video-Interview.

Wahl zur Elf der Woche beim Fußballportal Fupa: Für Abtswind abstimmen.