Im Gespräch mit Sportdirektor Thomas Schlecht

Unser heutiger Gaststar im Porträt

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Niederlagen schmerzen. Im Derby potenziert sich das Ganze um ein Vielfaches. Unser heutiger Gaststar weist einiges an Bayernliga Erfahrung auf und kämpft trotzdem mit der Akklimatisierung. Wie das zusammenhängt, wo aktuell der Schuh drückt beim ASV Neumarkt und auf was man sich bei der Begegnung am Friedrichsberg einstellen muss, darüber hat sich die Redaktion mit einem echten Fußballversteher unterhalten – hoch interessante Vita inklusive.

Unser heutiger Gaststar tanzt auf vielen Hochzeiten. Respektable 22 Abteilungen tummeln sich munter unter dem Dach des Hauptvereins, des ASV 1860 Neumarkt e.V.. Erstmals 1913 bestritten die oberpfälzer „Sechziger“ ein Fußballspiel. 1922 wurde der Fohlenhof am heutigen Faberpark zum Sportplatz ausgebaut. Erst sieben Jahre später, mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929, wurde die Abteilung Fußball ins Leben gerufen. Aus finanzieller Not nach dem Krieg schlossen sich die damaligen vier Sportvereine Neumarkts, Germania, Ski- und Tennisclub, TV 1860 und der TSV, im Dezember 1950 zum Allgemeinen Sportverein 1860 Neumarkt e.V. zusammen. Bereits 1971 stiegen die ASVler zum ersten mal in die Bayernliga auf.

Das goldene Jahrzehnt zwang die Verantwortlichen, den Fohlenhof zu verlassen und auf das neue ASV-Sportgelände umzuziehen. Das war 1974. 1982 der Abstieg aus der Bayernliga. Erst zur Jahrtausendwende gelang kurzzeitig der Sprung zurück. Seit Mai 2016 spielt man konstant in der Bayernliga, allerdings mit wechselnden Gebietsanzeigen. Seit der Ligareform 2012 sollen beide Staffeln die gleich Anzahl an teilnehmenden Vereinen aufweisen. Geografisch zentral gelegene Vereine wie der ASV Neumarkt werden deshalb vom Verband gern einmal umgruppiert. Ein bekannter ehemaliger ASV-Spieler ist Günther Weiß, der mit Bayern München den Europapokal der Landesmeister 1975 und 196, sowie den Weltpokalsieg 1976 feiern durfte. Allerdings ohne Einsatz. Aber wer es in den damaligen Münchner Kader schaffte, der kann kein Schlechter gewesen sein. Selbst einen aktuellen Nationalspieler brachte die Jugendabteilung des ASV hervor. Andreas Hannes Ling Fung „Andy“ Nägelein begann seine Laufbahn in der Jugend des 1.FCN, bevor er zur weiteren Reife nach Neumarkt wechselte. Am 15. Oktober 2013 debütierte er dann im Nationaltrikot beim Spiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate. Das Qualifikationsspiel für die Asienmeisterschaft 2015 ging 0:4 verloren.

Thomas Schlecht (2.v.l. Auf der Bank) beim Gastspiel in Abtswind am 14. September 2013

Im Sommer hielten sich die personellen Rochaden im normalen Rahmen. Kurz vor dem Ende der Wechselfrist holte man mit Markus Smarzoch einen alten Bekannten an den Deiniger Weg. Smarzoch war schon vor seinem Wechsel im Mai in die USA bei Palm Beach United ein ganz wichtiger Spieler, auf vielen Positionen einsetzbar und auch als Torschütze eine enorme Stütze im Bayernligateam des ASV Neumarkt. Die Rückholaktion steht federführend für das große Engagement von Johann Pröbster, er guten Seele des Vereins. Fußballabteilungsleiter Thomas Schlecht zeigte sich ebenfalls begeistert von der Neuverpflichtung: „Wenn er an die Leistung vor seinem Weggang anknüpfen kann, ist er sicher die gewünschte und dringend nötige Verstärkung. Vor allem die jungen Spieler werden durch seine Erfahrung entlastet“, ist Schlecht überzeugt. Er verdeutlichte aber auch, dass die Mannschaft erst nach der Genesung von Ferdinand Buchner und der Rückkehr von Bernhard Neumayer ihr endgültiges Gesicht bekommen werde. Von diesem ASV ist in dieser Saison also noch einiges zu erwarten.

Seit dieser Saison steht Marco Christ auf der Kommandobrücke. Nach der Umgruppierung von der Süd in die Nordstaffel läuft es noch nicht rund. Nur vier von möglichen 15 Zählern aus den letzten 5 Punktspielen. Beim Frühschoppenderby gegen Ammerthal letztes Wochenede sah zunächst alles nach einer erfolgreichen Initialzündung in den Herbst aus. In der Halbzeitpause klingt das Zwischenfazit jedoch ernüchternd. War das 0:1 (Kopfball Ralph Egeter nach Ecke von Marco Weber) noch eher glücklich, entstand das 0:2 (wieder Ralph Egeter, nach Zuspiel von Jonas Weigert) dann aber selbstverschuldet, weil sich bei Neumarkt Unsicherheiten einschlichen. Erst dann war die Mannschaft von Marco Christ wieder druckvoller – wie vor dem 0:1 als man näher dran war am Führungstreffer. Jetzt wird Ammerthal auf Konter zum 0:3 lauern… dann wäre das Ding hier wohl endgültig entschieden. Und der dritte Ammerthaler Streich kommt postwendend. Maximilian Höhenberger trifft in der 53. Minute zum vorentscheidenden 0:3 aus Neumarkter Sicht. Nach einer Stunde sattelt Michael Jonczy das 0:4 drauf. Es riecht nach Debakel. Die Vorgabe von Neumarkts Co-Trainer Benedikt Thier löst sich im Nirwana auf. „Ein Unentschieden soll es in diesem Derby mindestens sein, wir werden aber versuchen das Duell zu gewinnen“, meinte Thier vor Anpfiff. Christian Schrödl trifft zum Anschlusstreffer. Ralph Egeter trifft zum 1:5-Endstand. Das Fazit zum Schluss: „Neumarkt bissl glücklos. Ammerthal sauclever, gewinnt hochverdient“ (O-Ton Liveticker).

Thomas Schlecht (2.v.r. auf der Bank) beim Spiel Ansbach gegen in Abtswind am 12. April 2014

Dieses Mal hat sich die Redaktion von Abtswind Aktuell mit einem hoch interessanten Szenekenner unterhalten. Neumarkt ist bereits seine fünfte Station als sportlicher Leiter / Sportdirektor (u. a. beim KFC Uerdingen und der SpVgg Ansbach). Der Mann kennt sich aus und kommuniziert klare Statements. Nach kurzzeitigem Engagement in Eltersdorf wechselte er 2017 überraschend in die Oberpfalz, um „die Marke ASV Neumarkt für Wirtschaft und Sport gleichermaßen noch interessanter zu machen“. Dort fungiert er als Geschäftsführer für Sport und Marketing. Das von ihm maßgeblich gestaltete und redaktionell verantwortliche Stadionmagazin „Inside“ hat Premiumcharakter.

Redaktion: Hallo Herr Schlecht. Vielen Dank, dass Sie sich nach dem stressigen Spiel gegen Ammerthal für uns Zeit nehmen. Wieso begann das Derby eigentlich bereits um 11 Uhr?

Thomas Schlecht: Um außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen, muss man auch außergewöhnliche Maßnahmen anwenden. Im Vorfeld haben wir uns Gedanken gemacht, wie man antizyklisch handeln kann, auch was die Anstoßzeiten betrifft. Einige Partien am Samstag beginnen bereits um 13:00 Uhr. Zum Oberpfalz Derby wollten wir den Fans mit einem Weißwurstfrühstück etwas besonderes bieten. Und der Erfolg gab uns Recht mit gefühlt 500 Zuschauern. Wir mussten spontan eine dritte Kasse organisieren, um dem Ansturm gerecht zu werden.
Redaktion: Würdiger Rahmen für eine tolle Idee. Aber vom Ergebnis her [Seufz]

Thomas Schlecht: [lacht] Ja, ich hatte gehofft, Sie haken da nicht gleich ein.

Redaktion: Naja, gerade wenn man als Neutraler beim Liveticker mitlist. Neumarkt ist engagierter, hat die besseren Chancen und plötzlich steht´s nach Kontern ratzfatz 0:2. Wie verkraftet man das?

Thomas Schlecht: Je höher die Liga, umso weniger darf man sich erlauben. Die wenigen Chancen, die man bekommt, muss man nutzen. Und nach hinten darf man kaum etwas zulassen. Wenn das nicht in der Balance ist, geht man gepflegt unter. Dann erschreckt einen das nackte Ergebnis. Wenn man es allerdings analytisch betrachtet, Neumarkt aus vier 1-gegen-1 Situationen vor dem gegnerischen Tor nur einen Treffer erzielt, dann kommt noch dazu, dass Ammerthal einen hochqualitativen Kader besitzt und aus vier Chancen fünf Tore schießt. Das ergibt einen andere Perspektive.

Redaktion: Abtswind ist ja nur der Neuling. Neumarkt weist da viel mehr Erfahrung auf in unterschiedlichen Staffeln. Wie sehen Sie die Paarung?

Thomas Schlecht: Ihre Rolle als Underdog in allen Ehren, aber als ehemaliger Manager der SpVgg Ansbach kann mich noch gut an die heißen Duelle mit Abtswind erinnern und weiß auch um die Ambitionen. Der TSV war immer Topkandidat, über Jahre hinweg. Jetzt hat man es endlich geschafft. Aufgrund der Substanz im Verein und auch aufgrund der Sponsoren bin ich felsenfest davon überzeugt, dass der TSV mittelfristig eine Topadresse in der Bayernliga sein kann und wird. Da bin ich ziemlich sicher.

Redaktion: Da muss ich sofort einhaken. Gibt es in dieser ausgeglichenen Bayernliga überhaupt so etwas wie Sicherheit?

Thomas Schlecht: Wenn man die Ergebnisse beobachtet, da schlägt fast jeder jeden. Es kommt auf Nuancen an. Auf lange Sicht hin werden sich solche Kader wie der Würzburger FV, oder gewachsene Mannschaften wie Großbardorf und Aubstadt, durchsetzen. Im Saisonendspurt werden die Genannten sich unter den ersten Vier wiederfinden werden.

Redaktion:
Ein Faruk Maloku steht mit Gebenbach ganz oben und betont, dass er zunächst die 40 Punkte möchte. Klassenerhalt ist seine oberste Priorität. Danach könne man andere Ziele definieren. Auch ein Marc Reitmaier aus Würzburg lacht dich aus, wenn man ihn auf Ambitionen auf Platz 1 anspricht.

Thomas Schlecht: Das sind typische Traineraussagen. Totales Understatement. Wenn man die Gegebenheiten in Gebenbach ansieht und weiß, wie ambitioniert dort die Sponsoren sind, wenn man dazu noch hört, welche Personalkosten dort entstehen, dann rollt der Verein kurz bis mittelfristig in die nächst höhere Liga. Ob es diese Spielzeit schon reicht, man wird es sehen. Die machen dort einen wirklich guten Job. Gerade der Faruk ist ein guter Typ und sehr engagiert. Trotzdem tippe ich auf die drei Mannschaften, die ich vorher erwähnt habe. Dieses Jahr agieren drei, vier Mannschaften auf Augenhöhe. Das kann ein spannendes Fotofinish werden. Mein Fokus liegt ja eher in anderen Tabellenregionen. Wir Neumarkter werden da oben nichts verloren haben. Insgesamt ist das Feld relativ eng beieinander, sowohl oben als auch ganz unten. Selbst nach einem Drittel der Saison zeichnet sich in keiner Region wirklich ein Trend ab.

Redaktion: Sie sind ein eher untypischer Sportdirektor, da sie ja schon einige Stationen hinter sich haben. Sie müssten eigentlich der brutal denkbarste Netzwerker sein, oder etwa nicht?

Thomas Schlecht: Ich sage stets meinen Trainern, dass man deshalb sehr gut mit mir zusammenarbeiten kann, da ich kein Trainertyp bin. Ich habe ein gesundes Halbwissen, was den Fußball betrifft. Aber ich glaube, dass ich das Geschäft Fußball sehr gut verstehe und dort auch meinen Schwerpunkt besitze. Als Geschäftsführer verantworte ich die gesamte operative Arbeit, alle Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit, der Sponsorensuche und -betreuung. Natürlich hat man mich auch als Kopf des ASV verpflichtet.

Redaktion: Nach einem kurzfristigen Intermezzo in Eltersdorf sind Sie 2017 nach Neumarkt gewechselt. Was hat Sie an einem Verein mit sage und schreibe 22 Abteilungen gereizt?

Thomas Schlecht: 1.700 Mitglieder sind natürlich ein Wort. Neumarkt ist eine große, gesunde Stadt. Da fühlt man sich wohl. Zudem habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Nach Uerdingen wollte ich wieder zurück in die Region. Doch das Angebot an offenen Stellen ist überschaubar. In Eltersdorf, wo ich den Manager kenne, habe ich zugesagt, nebenbei mitzuhelfen, aber mit Ausstiegsklausel, wenn eine hauptamtliche Stelle frei wird. Neumarkt hat mir diese Chance geboten. Neumarkt hat auch regional ein Alleinstellungsmerkmal, was mich zusätzlich stark gereizt hat.

Redaktion: Jetzt geht es für Ihre Neumarkter nach Abtswind …

Thomas Schlecht: [lacht beherzt] … aus meiner Ansbacher Zeit weiß ich, dass es auf diesem Platz für viele Gegner haarig ausgehen kann. Die Duelle damals mit Ansbach waren immer intensiv, mit Spielern wie Pascal Kamolz, ein klasse Stürmer, oder dem technisch starken Rumänen Bobby Paunescu. Auch der Torwart war kein Schlechter …

Redaktion: Irnes Husic

Thomas Schlecht: Genau, die Katze. Das waren immer enge Dinger. Im Sommer habe ich mich richtig gefreut für den Verein und das Dorf, dass es nach einigen Anläufen endlich mit dem Traum Bayernliga geklappt hat. Das haben sie sich einfach mal verdient.

Redaktion: Was erwarten Sie von den nächsten Spielen.

Thomas Schlecht:
Als nächstes haben wir Abtswind, Seligenporten und Forchheim. Da muss man jetzt abliefern, egal ob die Mannschaft die zweitjüngste der Liga ist. Es geht darum, dass du Abtswind runterziehst und sich selbst nach oben hebelt. Wir alle stehen unter enormen Druck, Trainer, Spieler und Funktionäre, mich natürlich nicht ausgenommen. Wir müssen gewinnen.

Redaktion: Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen Ihrer so jungen Mannschaft?

Thomas Schlecht: Was wir uns wünschen, und das müssen wir jetzt auch schleunigst umsetzen, ist die Konstanz. Wir haben gegen Würzburg ein klasse Spiel abgeliefert, erst kurz vor Schluss den Ausgleichstreffer bekommen. Ein 1:1 gegen Großbardorf Eltersdorf haben wir geschlagen. Aber wir haben jetzt auch schon einige teils riesige Bretter kassiert. Unsere Stärken liegen eindeutig im Kollektiv. Wenn wir alles reinhauen, dann sind wir von der Taktik, der Technik und Geschwindigkeit absolut wettbewerbsfähig. Aber wenn wir nachlassen, dann sind wir massiv abgestraft worden. Das wird es in Abtswind nicht geben. Neumarkt hat viel Potential. Wir investieren viel in unsere Jugend. Die obersten drei Jahrgänge spielen in der Bayernliga. Ein riesiger, auch finanzieller Aufwand, den wir gerne stemmen. Allein im letzten Jahr kamen 16 neue Sponsoren dazu. Es dreht sich was beim ASV. Vielleicht können wir mit dieser Unterstützung im nächsten Jahr einen Schritt weiter gehen.